Vom Elektroscooter zum Solarenergiespeicher

Zweites Leben für gebrauchte Akkus

15.09.2017 | RAINER KLOSE

Was tun mit Akkus von Elektromobilen, die in die Jahre gekommen sind? Statt sie zu schreddern und die Bestandteile zu rezyklieren, könnte man die intakten Akkus in einem Solarstrom-Speicherschrank weiter nutzen. Ein Pilotprojekt der Schweizerischen Post versucht genau das.

/documents/56164/1397961/Electric+Scooter/31291f20-d9a6-4be6-bf36-678ce74b4c1e?t=1505468150073
Das erste Leben: in solchen Elektrodreirädern vom Typ Kyburz DXP liefern die Akkus die Antriebsenergie. (Copyright: Kyburz Switzerland AG)

Seit Januar 2017 sind Schweizer Postboten nur noch elektrisch unterwegs, mehrheitlich mit Elektro-Dreirädern vom Typ Kyburz DXP. Sämtliche benzinbetriebenen Roller wurden ausgemustert. Die ersten Kyburz-Dreiräder wurden 2010 angeschafft; inzwischen hat die Post insgesamt 6300 Elektroroller im Einsatz. Doch nach sieben Jahren hartem Pöstler-Alltag ist die Kapazität der Antriebsakkus auf 70 bis 95 Prozent gefallen. Für den Zustellereinsatz sind sie nicht mehr leistungsfähig genug. In den nächsten Jahren, das steht fest, werden daher tausende gebrauchter Akkus anfallen. Was also tun? Muss man die Stromspeicher schreddern? Oder gibt es eine vernünftigere Idee zur Weiterverwendung?

Ein Pilotprojekt, initiiert vom Ökozentrum in Langenbruck und gefördert vom Bundesamt für Energie (BFE), nimmt sich der gebrauchten-Akkus nun an. «Second Life» heisst das Projekt passenderweise. Die Akkus, so ist die Idee, sollen in einem Speicherschrank weiterarbeiten und Solarstrom stationär speichern. So liesse sich tagsüber Strom vom Dach ernten, der abends und nachts zur Verfügung stünde. Das Problem: Die Anlage muss kostengünstig sein und wartungsfrei und zuverlässig mehrere Jahre laufen – trotz der darin tätigen «Senioren», deren Restlebenszeit und Leistungsfähigkeit man nicht genau einschätzen kann.

Einzelbetreuung für Akku-Senioren

«Kostengünstig geht das nur, wenn man die Akkus nicht vorsortieren muss», sagt Marcel Held, Batterieexperte vom Zentrum für Zuverlässigkeitstechnik der Empa. «Wir brauchen also ein Batteriemanagement, das jeden der gebrauchten Akkus einzeln überwacht – und eine Speichertechnik, die auch dann noch funktioniert, wenn 30 Prozent der Zellen ausgefallen sind.» Held betreut das Pilotprojekt wissenschaftlich. Er hat die Restkapazität von rund 150 Akkus, die für den Pilotversuch ausgewählt wurden, ermittelt. Zwölf Stück hat er zu Testzwecken an der Empa behalten – vier gute, vier mittlere und vier schlechte. Sie werden in den nächsten Monaten einer Reihe von Lade- und Entladezyklen ausgesetzt, die zwei bis drei Jahren realer Betriebszeit entsprechen. Held will sehen, wie viel Kapazität übrig bleibt, auf welche Weise man die Akkus schonend einsetzen kann – und wie eine Akkuzelle reagiert, wenn sie ihr Leben aushaucht. «Wir werden die Akkus überwachen, ohne sie zu zerlegen», sagt Held. «Dazu nutzen wir unter anderem Impedanzspektroskopie und schauen uns die innere Struktur der Zellen mit Hilfe von Röntgentomografie an.»

Anfang 2017 ist der Versuch angelaufen. Vier Prototypen-Schränke mit gebrauchten Kyburz-Akkus gibt es bereits. Der Pilotspeicher ist in der Umwelt-Arena Schweiz in Spreitenbach im Einsatz und kann im Rahmen der Führung «Blick hinter die Kulissen» besichtigt werden. Drei weitere sind in der  Poststelle beim Hauptbahnhof Neuenburg in Betrieb. Das Batteriemanagementsystem für die alten Akkus entwickelte das Ökozentrum Langenbruck; die Firmen Batteriewerk AG und Helion Solar sind für Produktion und Vertrieb der Speicherschränke zuständig, falls der Pilotversuch erfolgreich verläuft.

Das Risiko liegt vor allem beim Preis. «Wir sind nicht allein auf dem Markt», erläutert Michael Sattler, der am Ökozentrum das Projekt leitet. «Es gibt mehr als 50 Anbieter für stationäre Stromspeicher. Sie alle arbeiten mit neuen Akkus – und deren Preise sinken dramatisch.» Der «Second Life»-Schrank, das ist bereits heute klar, wird nicht wesentlich preisgünstiger als ein Speicher mit neuen Batterien sein. «Wenn wir erfolgreich sind, sind wir am Ende am Markt konkurrenzfähig», sagt Sattler. «Aber betreffend Ökobilanz hätte unser Speicher zweifellos die Nase vorn.»

Informationen
Marcel Held
Transport at Nanoscale Interfaces
Tel. +41 58 765 42 82
marcel.held@empa.ch

Redaktion / Medienkontakt
Rainer Klose
Kommunikation
Tel. +41 58 765 47 33
rainer.klose@empa.ch

Fachartikel auf der Website des BFE

Fachartikel auf der Website des Bundesamts für Energie BFE
Ein zweites Leben für Postroller-Batterien (pdf, 2.9 MB)