Neue Einsatzgebiete für Leichtbauelemente

Tragflügel für einen Drachen, der hoch hinaus will

26.05.2009 | MARTINA PETER
Tensairity-Elemente aus mit Luft gefüllten Membranen, Stangen und Kabeln haben sich im Bau bereits als extrem leichte und dennoch stabile Tragstrukturen bewährt. Aber eignet sich die Technologie auch für den Einsatz in der Luftfahrttechnik, etwa als Tragstrukturen für Drachen? Empa-Forscher loten derzeit die Grenzen aus – und lassen erste Demonstratoren steigen.
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Ultraleichte Flügel-Tragstrukturen für Drachen sind nicht nur für Sport- und Freizeitanwendungen attraktiv, sondern auch interessant für Ingenieure. Beispielsweise im Einsatz als Zugdrachen, die Windkraft nutzen und als zusätzlicher Antrieb dieselbetriebene Frachter über die Weltmeere ziehen. Die «Kites» sollen Reedereien helfen, die hohen Treibstoffkosten zu senken. Drachen kommen aber auch für die Stromerzeugung durch Wind in Frage. Die Drachen, so die Idee, steigen an Seilen mehrere Kilometer in die Höhe. Durch das Hochziehen wird am Boden ein Windensystem in Bewegung gesetzt, das Strom generiert. Auf Zielhöhe angelangt, legt der Drache gewissermassen die Flügel an, lässt sich Richtung Boden sinken, um gleich wieder aufzusteigen. Ein spannendes Einsatzgebiet für extrem leichte Tragstrukturen, da die Drachen für eine effiziente Windenergienutzung sehr gross sein müssen.
 

Wo sind die Grenzen?
Mit einem Demonstrator wollte das Team um Rolf Luchsinger, Leiter des «Center for Synergetic Structures» an der Empa, herausfinden, wo flugtechnisch gesehen die Knackpunkte sind, und ob ein Tensairity-Drachen allenfalls Vorteile gegenüber traditionellen Flugobjekten bieten würde. Zusammen mit einem Mitarbeiter, der Luft- und Raumfahrt studierte, entstand aus einer Vielzahl von Ideen zu Formen und Grösse des Drachens schliesslich eine Serie von Modellen mit verbesserter Aerodynamik und überzeugendem statischem Verhalten. Das zeigten Tests an Prüfständen und Computersimulationen. Je schlanker und stabiler die mit Luft gefüllten Flügelholme sind, desto effizienter steigt der Drachen, desto besser kann seine Zugkraft genutzt und zur Stromgewinnung eingesetzt werden.

Der bisher grösste Tensairity-Drache, den Luchsingers Team entwickelte und im Labor zahlreichen Belastungstests aussetzte, hat eine Spannweite von acht Metern und eine Oberfläche von elf Quadratmetern. Mit einem Gewicht von 2,5 Kilogramm ist er dafür ausgelegt, eine Zugkraft von 1000 Newton zu erbringen. Theoretisch könnte dieser Drache 4000 Meter hoch steigen.

 

 
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  Legende: Der Tensairity-Drachen während der Belastungsprobe auf dem Prüfstand.
 

 

Drachen im Testbetrieb unter freiem Himmel
Nach dem langwierigen Berechnen und erfolgreichen Bau wollten die Forscher wissen: Wie hoch steigt der Drache in die Höhe? Fliegt er stabil auch bei hohen Geschwindigkeiten? Und – nicht zu vergessen – kommt er am Ende des Flugs wieder heil unten an? Mit Schlepptests unter freiem Himmel auf einem ehemaligen Militärflugplatz im Berner Oberland führten die Empa-Wissenschaftler kürzlich erste Flugversuche durch. Angehängt an einen Personenwagen wurde der Drachen auf einer ein Kilometer langen Strecke in einer Höhe von ca. 50 Meter gezogen. «Unser System funktioniert», ist Luchsinger fürs Erste zufrieden. «Der Tensairity-Drachen hat unsere an ihn gestellten Erwartungen erfüllt.» Nun denken die Forscher bereits an die Umsetzung ihrer nächsten Vision – einen Drachen mit einer Spannweite von bis zu 30 Meter, dessen Membranen mit Helium befüllt werden, und der auch bei Windstille in der Höhe weiterschweben kann.

Das neue Flügelkonzept eignet sich nicht nur für den Drachenbau, sondern hat ebenfalls Potenzial für den Sport oder die unbemannte Luftfahrt. Auch eine Anwendung als Kommunikationsplattform ist vorstellbar: Eine Drachen-Plattform (HAPS, «High Altitude Platform System») in grosser Höhe empfängt an Stelle von Satelliten Signale für Funk und Telefonie und leitet sie weiter.

 
 

 
«Drachen als Stromproduzenten»
Einstein, SF TV, 21. Mai 2009 – Ein extrem leichter und trotzdem sehr stabiler Drachen soll fähig sein, höhere Sphären zu erreichen, um die dort herrschenden starken Winde zur Energiegewinnung zu nutzen. «Einstein» begleitet die Forscher zu ersten Flugversuchen.
 

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